Kunst im Karner - 27.März - 11.April 2009 - 
Sabine Krist & Brigitte Petry <> PASSION - vom Leiden und Sterben

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  "Knotensäule", Logo von Kunst im Karner © Kunst im Karner - St. Othmar

Wilhelm Müller

 

"Ihr seid zur Freiheit berufen"

Einkehrnachmittag 
am 28. März 2009 in Mödling

Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar
 

Vortrag zum Ausdruck
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Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller

Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Fast 40 Jahre (inklusive der Kaplansjahre) wirkte Wilhelm Müller in Mödling.
Als er 1969 Pfarrer von Mödling wurde, gab es eine ungeheizte Pfarrkirche, ein sehr kleines Pfarrheim in der Kirchengasse, kein St. Michael, keinen Pfarrgemeinderat, kein Gotteslob, keinen Kreuzweg oberhalb von St. Othmar.

Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer war er von 1967 bis 1998 in verschiedenen Funktionen in den Medien tätig ("Fernsehpfarrer"). 
Auch die Funktion des geschäftsführenden Vorsitzes des Priesterrats der Erzdiözese hatte er in den späten 90ern einige Jahre inne. 1981 wurde er zum Dechant des Dekanats Mödling gewählt und blieb dies bis zu zu seiner Berufung nach Wr. Neustadt. Wilhelm Müller erhielt viele - nicht nur kirchliche Ehrungen, wie Prälat, Professor, Ehrenkanoniker von St. Stephan und zuletzt vor  seinem Abschied aus Mödling im Rahmen der 1100 Jahr Feiern von Mödling die Ehrenbürgerschaft der Stadt.

Wilhelm Müller wurde von Kardinal Christoph Schönborn mit 1. Oktober 2003 zum Propst von Wiener Neustadt ernannt.

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Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller - Pfarrer Richard Posch begrüßt Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Propst Wilhelm Müller im Gespräch mit Bürgermeister Hans Stefan Hintner und Pfarrgemeinderäten Mag. Doris Frass und Dr. Johannes Thomas © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

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"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt © Sabine Krist

"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt 255x300cm von Sabine Krist  © Kunst im Karner - St. Othmar

Nagelbild 2 © Brigitte Petry

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Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller

Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Fast 40 Jahre (inklusive der Kaplansjahre) wirkte Wilhelm Müller in Mödling.
Als er 1969 Pfarrer von Mödling wurde, gab es eine ungeheizte Pfarrkirche, ein sehr kleines Pfarrheim in der Kirchengasse, kein St. Michael, keinen Pfarrgemeinderat, kein Gotteslob, keinen Kreuzweg oberhalb von St. Othmar.

Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer war er von 1967 bis 1998 in verschiedenen Funktionen in den Medien tätig ("Fernsehpfarrer"). 
Auch die Funktion des geschäftsführenden Vorsitzes des Priesterrats der Erzdiözese hatte er in den späten 90ern einige Jahre inne. 1981 wurde er zum Dechant des Dekanats Mödling gewählt und blieb dies bis zu zu seiner Berufung nach Wr. Neustadt. Wilhelm Müller erhielt viele - nicht nur kirchliche Ehrungen, wie Prälat, Professor, Ehrenkanoniker von St. Stephan und zuletzt vor  seinem Abschied aus Mödling im Rahmen der 1100 Jahr Feiern von Mödling die Ehrenbürgerschaft der Stadt.

Wilhelm Müller wurde von Kardinal Christoph Schönborn mit 1. Oktober 2003 zum Propst von Wiener Neustadt ernannt.

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Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller - Pfarrer Richard Posch begrüßt Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Propst Wilhelm Müller im Gespräch mit Bürgermeister Hans Stefan Hintner und Pfarrgemeinderäten Mag. Doris Frass und Dr. Johannes Thomas © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

Einkehrnachmittag mit Propst Wilhelm Müller © Kunst im Karner - St. Othmar

 

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"Altarbild" (Kreuz) Holzschnitt auf Leinen; auf Keilrahmen aufgespannt © Sabine Krist

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Die Weltgeschichte verleiht manchen Menschen den Beinamen "der Große". Meistens sind es Eroberer, die so beurteilt werden. Selten erhalten Menschen, die durch ihr organisatorisches und friedensstiftendes Wirken die Welt beeinflusst haben, diesen Titel.

Der Apostel Paulus gehört zu den Großen der Weltgeschichte, obwohl er nicht den Beinamen "der Große" trägt. Seine Botschaft, dass die einzige "Leistung", die der Mensch erbringen muss, um Gottes Gnade zu erlangen, der Glaube ist, hat ein neues Denken gebracht. Seine Verkündigung des Auferstandenen hat die Götter der Antike als bloße Verdichtung der Grundkräfte des Psychischen entlarvt. Paulus hat die Menschen frei gemacht.

In drei Missionsreisen hat Paulus mehr als 13.000 km zurückgelegt, um den Menschen die Botschaft von Jesus Christus zu bringen. In seiner berühmten "Narrenrede" schreibt er im 2. Korintherbrief (l 1,24-27): "Fünfmal erhielt ich von den Juden die neununddreißig Hiebe. Dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt. Dreimal erlitt ich Schiffbruch. Eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See. Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, durchwachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße".

Bei seinen drei Missionsreisen hat sich Paulus zuerst an die Juden gewandt. Wenn er diese nicht überzeugen konnte, ging er zu den Heiden. Die erste Reise führte ihn als Begleiter des Barnabas auf die Insel Cypern und dann in die Städte Perge, Ikonium, Derbe und Lystra im heutigen Anatolien.

Bei der zweiten Reise besuchte er die Gründungen der l. Reise, um dann nach Westen zu ziehen und auf griechischem Boden (Philippi, Thessaloniki, Athen, Korinth und Ephesus) zu wirken.

In der 3. Reise durchwanderte er wieder das Gebiet der heutigen Türkei (Tarsus, Ankara, Ephesus, Smyrna) kommt nach Griechenland (Philippi, Thessaloniki, Korinth) und kehrt entlang der Westküste Kleinasiens nach Jerusalem zurück, wo er gefangen genommen wird.

Paulus gehörte dem jüdischen Stamm Benjamin an. Er wurde in Tarsus, der Hauptstadt der römischen Provinz Kilikien, in der heutigen Südtürkei geboren. Er hatte wenigstens eine Schwester, deren Sohn ihm einmal das Leben gerettet hat. Er besaß das römische Bürgerrecht. Nur der Kaiser durfte über ihn richten.

Paulus sprach Aramäisch, die Sprache des Volkes, Hebräisch, die Sprache seiner Ausbildung, Latein und Griechisch, die Sprachen seiner Umgebung. Er war von schwacher Gesundheit und bewältigte dennoch ein unvorstellbares Maß an Strapazen. Er studierte mit Stephanus in Jerusalem zu Füßen des Rabbi Gamaliel das jüdische Gesetz.
Als Pharisäer nach Ausbildung und Einstellung lehnte er den Glauben, das Jesus von Nazareth der Messias sei, leidenschaftlich ab. Eine Christusvision vor Damaskus ließ ihn die Realität erkennen. Er lässt sich taufen und zieht sich drei Jahre in die arabische Wüste zurück, um mit dem, was er bisher geglaubt hat, und mit dem, was er erlebt hat, ins Reine zu kommen.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Jerusalem unternimmt er seine drei großen Missionsreisen, die ihn durch Kleinasien und Griechenland fuhren. Beim Apostelkonzil kann er überzeugend darlegen, dass die Heidenchristen - und wie er später meint - auch die Judenchristen nicht an das jüdische Gesetz der Thora gebunden sind, sondern dass der Glaube, dass Jesus der Christus ist, zum Heil genügt und vor Gott rechtfertigt.
Die letzten vier Jahre seines Lebens verbringt Paulus als Gefangener. Unter Nero wird er in Rom enthauptet.

Das Werk des hl. Paulus umfasst zwei Dimensionen. Die äußere Dimension wird in den drei Missionsreisen und der Gründung vieler christlicher Gemeinden sichtbar. Die andere Dimension ist der befreiende Inhalt seiner Verkündigung. Wer glaubt, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, ist vor Gott gerechtfertigt. Er braucht kein Gesetz des Mose. Er braucht keine Götter und Riten. Er ist befreit vorn Zwang bestimmter Handlungen. Er ist befreit von der Angst, durch Fehlverhalten sein Heil zu verlieren. "Wer an Christus glaubt, ist gerettet".

Paulus hat mit seinen Gemeinden intensiven Kontakt gehalten. Ein vorzügliches Instrument dafür war seine Korrespondenz. Die Exegeten haben viele Untersuchungen angestellt, wie viele Briefe von Paulus stammen und wie viele unter seinem Namen veröffentlicht wurden.
Die Briefe des Paulus sind selten theologische Grundsatztexte. Sie sind meist Konflikttexte. Dass man sich zu Jesus bekannt hat und sich taufen ließ, hat nicht alle Fragen religiöser oder praktischer Art beantwortet. Es gab verschiedene Auffassungen. Judenchristen sahen vieles anders als die Heidenchristen. Diese Auffassungsunterschiede führten in den Gemeinden zu Streitigkeiten. Der l. Korintherbrief ist dafür ein starkes Beispiel. Paulus hörte von den Streitigkeiten oder er wurde angefragt und gibt in seinen Briefen Antwort.

Nicht alles was er dabei geschrieben hat, ist für jede Zeit gültig und verbindlich, auch wenn es durch die Zitaten-Theologie eine bestimmte, oft verheerende Wirkungsgeschichte entwickelt hat. Manches in den Paulusbriefen war tagesaktuell und an bestimmte soziale und soziologische Gegebenheiten gebunden. Es ist Aufgabe der Exegeten, behutsam das Zeitunabhängige und auf Dauer Gültige vorn Zeitgebundenen zu befreien.

"Ihr seid zur Freiheit berufen". Welche Freiheit meint Paulus? Den Galatern droht er: "Wenn euch jemand ein anders Evangelium verkündet, ich oder auch ein Engel, der sei verflucht". Wie kann derselbe Paulus, der keine Gedankenfreiheit und keine Glaubensfreiheit gewährt, von der Freiheit des Christenmenschen reden?
Freiheit ist ein schillernder Begriff. Er umfasst viele Facetten des Lebens. Alle Revolutionen fangen mit der Forderung nach Freiheit an - Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Versammlungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit. Es sind für das Leben der Menschen wichtige Freiheiten. Aber im Letzten sind es vordergründige Freiheiten. Sind wir frei, wenn wir reisen können, wohin wir wollen, wenn wir sagen können, was uns einfällt, wenn wir tun können, wozu wir Lust haben? Ist das Freiheit?

Freiheit ist ein umstrittener Begriff. Ist, was wir Willensfreiheit, Unterscheidungsfähigkeit und Antriebskraft nennen, nicht das Ergebnis chemischer Prozesse, die in unserem Gehirn ablaufen? Sind nicht das Unbewusste und das Unterbewusste stärker an unseren Entscheidungen beteiligt, als wir zugeben und uns lieb ist?

Freiheit ist nicht absolut. Sie ist vielen Beschränkungen unterworfen. Die Freiheit findet eine Grenze an der Freiheit des anderen. Sie findet ihre Grenze an der Wahrheit. Ich kann sagen, dass 3x3 fünfundzwanzig ist. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass 3x3 neun ist, ganz gleich welches Wort ich für neun verwende. Ich kann nicht mit 3x3 ist 25 rechnen, wenn ich eine Schnittmenge exakt und wesensgerecht ausdrücken will.

Wahrheit und Freiheit liegen seit Jahrhunderten im Kampf. Wenn es um Nachprüfbares geht, hat die Wahrheit Vorrang vor der Freiheit, die in Wirklichkeit Willkür ist. Schwieriger wird es, wenn es um Nicht-Materielles geht. Dann taucht sehr schnell der Vorwurf auf, dass man Gesinnungsterror ausübe, dass man dogmatisch denke (einer der bösesten Vorwürfe in unserer Zeit), dass die Inquisition grüßen lasse. Man fordert wie Marquis Posa im "Don Carlos". Sire, geben sie Gedankenfreiheit". Wenn es um die Wahrheit geht, dann gilt "panta rhe" - "alles fließt". Alles ist gleich gültig.

"Ihr seid zur Freiheit berufen". Paulus geht es um die Freiheit vom jüdischen Gesetz. Es geht ihm darum, dass Christus und der Glaube an ihn das Heil bringt und nicht die Befolgung des jüdischen Gesetzes, der Werke, wie sie Paulus nennt.

Israel war der Überzeugung, dass die messianische Zeit anbrechen werde, wenn die Thora, das mosaische Gesetz mit seinen 248 Geboten und 365 Verboten genau eingehalten werde. Wenn das ganze Volk, auch "das verfluchte Volk das vom Gesetz nichts versteht", wie die Pharisäer sagten, wenn das ganze Volk so weit ist, dass keiner mehr ein Gebot vergisst oder ein Verbot übertritt, dann kommt der Messias. Das bedeutet überspitzt formuliert, dass das Heil nicht mehr von Gott kommt, sondern von den Menschen. Es ist Ergebnis ihrer Leistung.

Wir rutschen auch manchmal in diese Versuchung. Wenn ich dieses oder jenes getan habe, wenn ich dieses Gebetspensum erledigt habe, wenn ich diesen Wallfahrtsort besucht oder dieses Gelübde erfüllt habe, dann muss mir der liebe Gott gut sein. Dann komme ich in den Himmel. Negativ formuliert sagen wir dann: Warum straft mich Gott mit Krankheit, mit einem Unglücksfall, mit einem Leid, wenn ich doch niemanden umgebracht und nichts gestohlen habe, wenn ich ein anständiger Mensch bin, regelmäßig bete, meistens an der Sonntagsmesse teilnehme, ja sogar noch den Freitag halte? Wer kennt nicht die Sätze: "Ich kann nicht an Gott glauben, wenn er mein Kind, meinen Mann, meine Frau sterben hat lassen. Ich habe nichts Unrechtes getan".

Das Verhältnis zu Gott wird als Geschäft verstanden, als Austausch von Leistungen. Dass ein Liebesverhältnis anders aussieht und nicht auf Leistung und Gegenleistung beruht, vergessen wir oft, wenn es um Gott geht. "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus ganzem Herzen und mit allen deinen Kräften" Der Zusatz "damit es dir wohlergehe auf Erden" fehlt. Er steht beim vierten Gebot. "Du sollst Vater und Mutter ehren". Wer im Gabe-Gegengabe-Verhälntis denkt, ist immer unzufrieden und fühlt sich benachteiligt.

Paulus macht aufmerksam, dass die Beziehung zu Gott nicht von der Leistung abhängt, die der Mensch erbringt, sondern von seinem Glauben. "Wenn du mit deinem Mund bekennst "Herr ist Jesus Christus", und in deinem Herzen glaubst "Gott hat ihn von den Toten auferweckt", so wirst du gerettet werden" (Rom 10,9)

Das Wirken des Paulus ist nicht nur dem Aufbau der Gemeinden gewidmet. Es ist auch von der Auseinandersetzung über die Verbindlichkeit des mosaischen Gesetzes bestimmt. Vom Ausgang dieser Auseinandersetzung hängt es ab, ob die Botschaft Christi universal wird oder in Israel hängen bleibt.

Die Thora, das Gesetz, wie die Juden sagen, bestimmt als Ausformung der Vertragsbedingungen des Bundes, den Gott mit Israel geschlossen hat, die Identität Israels. Darum lagen die Gesetzestafeln des Mose in der Bundeslade, die im Allerheiligsten des Tempels stand und das auch vom Hohepriester nur einmal im Jahr betreten werden durfte. Man muss sich vorstellen, was es für die Juden bedeutete, dass da auf einmal Paulus auftaucht und sagt: "Ist alles nicht so wichtig. Eigentlich ist das alles ein Hindernis für unser Heil. Wir brauchen keine Beschneidung. Was früher die Beschneidung war, ist jetzt die Taufe. Was früher das Gesetz war, ist jetzt Jesus Christus".

Das war nicht nur für die einfachen Judenchristen schwer zu verdauen. Was sie bisher bestimmt hat, soll keine Bedeutung mehr haben und nicht mehr wichtig sein? Auch die Apostel taten sich mit dieser Auffassung schwer. Die Vision des Petrus in Jafa, von der die Apostelgeschichte (10,9-23a) berichtet, macht das deutlich. Eine große Schale, groß wie ein Leintuch, kommt vom Himmel auf Petrus zu. Es ist angefüllt mit Tieren, die unter das Speiseverbot der Juden fallen. "Und eine Stimme rief ihm zu: Auf, Petrus, schlachte und iß! Petrus antwortet: Niemals, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen. Die Stimme richtet sich ein zweites Mal an ihn: Was Gott für rein erklärt hat, nenne du nicht unrein!".

Petrus geht mit der Gesandtschaft des heidnischen Hauptmanns Cornelius nach Caesarea mit. "Noch während Petrus redete, kam der heilige Geist auf alle herab ... und Petrus sagte: Kann jemand denen das Wasser der Taufe verweigern, die ebenso wie wir den heiligen Geist empfangen haben" (Apg 10.44-48).

In Jerusalem muss sich Petrus rechtfertigen, dass er in das Haus eines Heiden gegangen ist und ihn taufen ließ. Er schiebt alle "Schuld" auf den heiligen Geist. Man akzeptiert, ja man freut sich, dass auch die Heiden Chrisen werden. Aber das Kleingedruckte, das Verhältnis der Heiden zum jüdischen Gesetz, bleibt ungeklärt. Aber es drängt nach Klärung.

Die Apostelgeschichte erzählt: "Es kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder in Antiochien: Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lässt, könnt ihr nicht gerettet werden. Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen" (Apg 15,1-2).

Die Judenchristen handelten im guten Glauben. Hatte nicht Jesus selbst gesagt, dass er nicht gekommen sei Gesetz und Propheten aufzuheben, sondern zu erfüllen? (Mt 5,17). Hatte er nicht gesagt, dass kein Jota und kein Patach verloren gehen werde? Und jetzt kommen Paulus und Barnabas und sagen, das ganze Gesetz habe nur die Funktion, die das Gerüst für den Rohbau hat. Wenn der Bau steht, braucht man kein Gerüst. Es ist sogar hinderlich. Das Gesetz habe sie nur an ihre Erlösungsbedürftigkeit erinnert. Da der Erlöser gekommen ist, ist es nicht mehr notwendig.

Die Entscheidung des Apostelkonzils ist klar. "Der heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weiteren Lasten aufzubürden" (Apg 15,28). Die Entscheidung ist klar. Sie ist aber nicht eindeutig. Sie teilt das Schicksal vieler Konzilentscheidungen. Jeder legt sie aus, wie er meint, dass sie ausgelegt gehören. Paulus und Barnabas verstehen die Entscheidung so, dass für Christen das mosaische Gesetz seine Gültigkeit und Verbindlichkeit verloren hat. Die Judenchristen interpretieren, dass die Entscheidung nur für die Heiden gilt. Sie ist ein Zugeständnis an die Heiden und keine grundsätzliche Entscheidung, die auch für sie gilt.

Darum kommt es auch sehr bald zum sogenannten "Zwischenfall in Antiochien". Petrus teilt ganz ungezwungen das Leben der Heidenchristen. Als aber Leute aus dem Kreis um Jakobus kommen, zieht er sich von den Heidenchristen zurück und hält sich wieder an die jüdischen Vorschriften (vgl Gal 2,11-16). Paulus erinnert sich: "Ich trat dem Kephas offen entgegen. Denn er setzte sich ins Unrecht. Wir haben erkannt, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern nur durch den Glauben" (Gal 2,16) Für Paulus geht es um Entscheidendes - um Christus und sein Wirken.

Mit Jesus ist etwas radikal Neues in die Welt gekommen: Ein Gott, der gnädig ist und nicht erst gnädig gestimmt werden muss; ein Gott, der es sich leistet, seine Allmacht in Ohnmacht zu betten; ein Gott, der leibt, rechtfertigt, erlöst und nicht verurteilt, zerstört und vernichtet. Für Paulus gibt es darauf nur eine Antwort: anzunehmen, was Gott tut und schenkt. Da er das in Christus Jesus tut, kann die Antwort nur Ja zu Christus und das Bekenntnis zu ihm sein. "Wenn du mit deinem Mund bekennst "Herr ist Jesus" und in deinem Herzen glaubst "Gott hat ihn von den Toten auferweckt", so wirst du gerettet werden (Rom 10,9)

Wer das in Frage stellt, wer die Befolgung des mosaischen Gesetzes als Antwort fordert, dem widerspricht Paulus energisch. Das erfahren auch die Galater. Jüdische Prediger kommen und wollen den Galatern einreden, dass das Bekenntnis zu Jesus gut und schön sei. Das Eigentliche sei aber doch die Beschneidung und die Befolgung der Thora. Als Paulus das erfährt, schreibt er ihnen einen Brief. "Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verhext? Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes oder durch die Botschaft des Glaubens empfangen?" (Gal 3,lf)

Paulus kann nicht untätig zuschauen, wie man seine Gemeinen zerstört, ihnen die Freiheit der Kinder Gottes nimmt und sie unter ein Joch zwingt, das - wie Petrus beim Apostelkonzil sagt - "weder wir noch unsere Väter tragen konnten". (Apg 15,10) Schon in den Eröffnungszeilen seines Briefes stellt Paulus klar, worum es ihm geht: um Jesus Christus und das von ihm gewirkte Heil. Er betont mit Nachdruck seine ihm von Gott verliehene Autorität und weist daraufhin, dass er den Brief im Namen aller Mitarbeiter sendet. Er erhebt den Vorwurf, dass es ein anderes Evangelium ist, dem sie anhangen, wenn sie den Einflüsterern glauben. Was sie als Evangelium verkünden, ist kein Evangelium. Es ist keine Botschaft, die gut tut, die heilt, die etwas vom Wesen Gottes aufschließt, die einen Zugang zu Gott ermöglicht, die zu Kindern Gottes macht.

Paulus erinnert die Galater an sein Leben, an die Stunde vor Damaskus, die sein Leben verändert hat. "In der Treue zum jüdischen Gesetz übertraf ich die meisten meiner Altersgenossen in meinem Volk, und mit großem Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen der Väter ein. Gott beschloss in seiner Güte, mir seinen Sohn zu offenbaren" (Gall,14) "Jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Jesus Christus sind" (Rom 8.1). Wir sind frei geworden von dem Gesetz, an das wir gebunden waren. Wir sind tot für das Gesetz" (Rom 7,6)

Paulus hat das nicht selbstherrlich entschieden. Er hat das Problem im Dialog mit den Autoritäten der jungen Kirche gelöst. Das Apostelkonzil hat ihm bestätigt, dass Thora und Beschneidung keine Voraussetzung sind, um Christ zu sein. Der Christ ist davon vollständig befreit. "Nicht einmal mein Begleiter Titus, der Grieche ist, wurde gezwungen, sich beschneiden zu lassen" (Gal 2,3). "Wir haben erkannt, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus. Durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht". (Gal 2,16)

Paulus fragt die Galater: "Warum gibt euch Gott den Geist und bewirkt Wundertaten unter euch? Weil ihr das Gesetz befolgt oder weil ihr die Botschaft des Glaubens angenommen habt?" (Gal 3,5)

Diese Botschaft ist keine Lehre. Diese Botschaft ist eine Person. Wie die Beziehung zu einer Person die Einsamkeit aufbricht, so löst die Beziehung zu Christus die Verkrustungen des Herzens, die Angst vor dem Sterben, die Verzweiflung über das Zerstörende in unserem Wesen und alles Zerstörte in unserem Leben. Was hat die Befolgung des Gesetzes gebracht? Verzagtheit, weil man es nicht erfüllen kann. Unsicherheit, weil man nicht mehr wusste, was man dar fund was nicht. Hilflosigkeit, weil zum Gesetz noch der Zaun des Gesetzes kam, den nur mehr die Spezialisten überwinden können. Unfreiheit, weil die Pharisäer bestimmten, wie man zu leben hatte und was man zu tun hatte. "Ehe der Glaube kam, waren wir im Gefängnis des Gesetzes" (Eph 3,23). "Gerecht gemacht aus Glauben haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus" (Rom 5,1) "Christus ist das Ende des Gesetzes" (Rom 10,4)

Die Beziehung zu Jesus gab noch dem rechten Schacher Hoffnung. Sie gab der Witwe von Nain den Sohn zurück. Sie ließ Blinde sehen und Lahme gehen. Sie ließ fünf Brote und zwei Fische zur Sättigung von vielen werden. Sie öffnete den verlorenen Söhnen und Töchtern die Arme des Vaters. Sie ließ die Ehebrecherin hören "Deine Sünden sind dir vergeben".

Für Paulus ist Freiheit die Befreiung und das Befreit sein von den Mächten der Sünde und des Todes und von der Heilsnotwendigkeit des Gesetzes. In ihr wird dem Menschen eine neue Identität geschenkt.

Als wir Kinder waren, schreckte man uns damit, dass Zeiten kommen würden, in denen man nur mit geweihten Kerzen Licht haben werde, während ringsherum alles finster sein werde. Nur jene Wohnungen würden bewohnbar bleiben, die regelmäßig mit Weihwasser besprengt werden. Nur die würden in den Himmel kommen, die die aloisianischen Freitage halten, also neun Monate lang an jedem Herz-Jesu Freitag beichten und kommunizieren gehen.

"Brüder, ihr seid zur Freiheit berufen" (Gal 5,11) "Warum achtet ihr ängstlich auf Tage, Monate, bestimmte Zeiten und Jahre" (Gal 4,10) Sind wir so viel anders? Auch von uns erwarten viele ihr Heil von der Beobachtung der Zahlen. Es soll womöglich kein Freitag sein. Ein Dreizehnter ist ganz schlecht. An bestimmten Tagen sind Erdstrahlen der Aura nicht günstig. Sie haben einen negativen Einfluss auf die Chakren. Wir machen aus den Naturkräften Schicksalsgötter. "Einst, als ihr Gott nicht kanntet, wart ihr Sklaven der Götter, die in Wirklichkeit keine sind" (Gal 4,6)

Als Martin Luther seine Schrift "Von der Freiheit des Christenmenschen" veröffentlich hat, meinten die Bauern, nun die biblische Begründung erhalten zu haben, um die Ketten der Leibeigenschaft abwerfen zu können. Es kam zu so blutigen Bauernaufständen, dass Luther erklären musste, so habe er die Freiheit des Christenmenschen nicht verstanden. Die Freiheit, um die es geht, ist die Freiheit von Verhaltensweisen, die im Letzten von Gott abhalten, so fromm sie auch gemeint sind. Es ist die Freiheit der Liebe, von der Augustinus sagen wird "Ama et fac, quod vis". Wenn du wirklich liebst, dann wirst du richtig handeln. In der Sprache des hl. Paulus heißt das "Dir seid zur Freiheit berufen. Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe".

Die Freiheit im paulinischen Sinn bedeutet nicht, tun können, was man will. "Dir habt nicht den Geist empfangen, der euch wieder zu Knechten macht" (Rom 8,15), diesmal zu Knechten Eures Egoismus, Eurer Leidenschaften, Eurer Launen, Eurer Bequemlichkeit, Eures Dickschädels. In der paulinischen Freiheit geht es, Christus ähnlich zu werden. "Ihr habt Christus angezogen" Der hl. Augustinus wird in einem Gebet sagen: "Christus dienen heißt herrschen!"

"Christus hat uns befreit, und nun sind wir frei" schreibt Paulus den Galatern (5,1). Sind wir wirklich frei? Haben wir nicht das Gesetz des Mose gegen das Kirchenrecht eingetauscht? Schiebt sich nicht die Kirche mit ihren Sakramenten zwischen uns und Gott? Ist nicht vieles für unser Glaubensleben bedeutsam, was Paulus für unnötig, ja hinderlich gehalten hat?

Viele empfinden das so. Sie sagen, sie seien Gott im Wald näher, als ihnen das der Gottesdienst ermögliche. Sie brauchten keine Sakramente, keine Bibel, keine Kirche. Sie machten sich das mit dem Herrgott direkt aus.

Sind diese Menschen nicht paulinischer gesinnt als wir, die wir uns dem Wort Jesu verpflichtet fühlen: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen"? Das mag im ersten Hinsehen so sein. Ein zweiter Blick macht bewusst, dass ich nur durch die Bibel etwas von Jesus weiß und so auch weiß, was er gesprochen und gewollt hat. Die Kirche ist keine Organisation zur Erhaltung und Vertiefung des Religiösen. Die Kirche als Leib Christi ist ein Organismus, dessen Seele der Heilige Geist ist. Paulus hat das vor Damaskus erfahren. Wer die Kirche verfolgt, verfolgt Christus. Wer der Kirche angehört, ist Glied am Leib Christi. Wer Christus ähnlich werden will, muss lebendiges Glied der Kirche sein. Wer mit Christus verbunden bleiben will, kann das nur durch und in der Kirche.

Es besteht jederzeit für jedermann und jedefrau die Gefahr in jüdisches Denken zu fallen, das Heil von seinen Leistungen zu erwarten und nicht von Gott durch Jesus Christus. Wir sind immer in Gefahr, dass religiöse Übungen zu Gewohnheiten werden, die Gewohnheiten zu Pflichten und die Pflichten zum Gesetz "Christus ist das Ende des Gesetzes" (Rom 10,4)

An sieben Abenden haben wir über Persönlichkeit und Wirken des hl. Paulus nachgedacht. Wir haben gemerkt, dass vieles auch uns angeht.

Was sind die Aufgaben und Grenzen des Staates? Er hat für das Gemeinwohl zu sorgen. Wenn er auf längere Zeit in grober Weise dagegen verstößt, hört die Gehorsamspflicht auf und es entsteht das Recht auf Widerstand.

Für Paulus zählt nicht, ob einer Jude oder ein Grieche, Sklave oder Freier, Mann oder Frau ist. Wer getauft ist, hat Christus angezogen und ist für Paulus als Mitarbeiter willkommen.

Viele Missverständnisse lösen sich, wenn man weiß, dass die Aussagen über Ehe und Jungfräulichkeit im 1. Korintherbrief Antworten auf Fragen sind, die verschiedene Gruppen an Paulus richten. Jeder soll seiner Berufung folgen.

Die Nachfolge Jesu ist nicht eine der vielen Möglichkeiten, religiös zu sein. Wenn Jesus von Nazareth von den Toten auferstanden ist, dann ist er der Magnet, auf den alles hingeordnet ist.

Das Christsein erhält seine Kraft aus der personalen Beziehung zu Christus. Ohne diese Beziehung wird es zur Weltanschauung, zur Ideologie. "Die Liebe Christi drängt uns" - die Liebe, die er uns erweist, die Liebe, die wir ihm entgegenbringen.

"Lege keinem vorschnell die Hände auf. "Der Vorsteher soll ein Mann ohne Tadel sein". Denn er ist bestellt, "die Kirche Gottes zu weiden".

Durch Christus ist eine Umwertung der Werte eingetreten. Was als Freiheit der Christen vom jüdischen Gesetz begonnen hat, setzt sich in der Gewissensfreiheit der Menschen fort.

Die Verkündigung des Paulus lässt ahnen, welche Sprengkraft in der Beschäftigung mit Person und Lehre Christi enthalten sind.

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