Andacht beim Rastplatz Seewiese

Ich glaube, obwohl... - Ich glaube trotzdem

Lesung aus dem Matthäusevangelium (Mt 15,22-28)

Die Erhörung der Bitte einer heidnischen Frau

22 Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.
23 Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie (von ihrer Sorge), denn sie schreit hinter uns her.
24 Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
25 Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!
26 Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.
27 Da entgegnete sie: Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
28 Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.


1968 schreibt Dorothee Sölle:

Christsein heißt nicht mehr: etwas sehen, was andere nicht sehen und wo andere nichts mehr sehen; es heißt nur, die eine Wirklichkeit anders sehen: Nicht, dass man sich an bestimmte Inhalte klammert, die zusätzlich zum normalen oder weltlichen Leben Erfahrungen oder Rettung verbürgen, macht das christliche aus, sondern dass man die ganze ungeteilte Welt mit den Augen Gottes ansieht. Gemeint sind mit dem Ausdruck die Augen jenes Mutes, der Chancen dort entdeckt, wo endgültige Feststellungen gemacht werden, der Frieden wittert, wo streit herrscht; es sind die Augen jener Liebe, die nichts und niemanden aufgibt und die im Hinsehen, im Mehrsehen das, was sie sieht, verändert, weil sie seine Möglichkeiten entdeckt, weil sie ein schöpferischer Akt und nicht bloße Wahrnehmung von Vorhandenem ist. In einem katholischen Gottesdienst hörte ich den Satz, dass heute eine Karfreitagsliturgie, in der das Wort Vietnam nicht vorkäme, unchristlich sei. Das bedeutet, das Christus in der einen Welt gegenwärtig ist im Leiden der Unschuldigen- mit den Augen Gottes gesehen.

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