St.Othmar
Missa Solemnis


Musik in der Kirche
versus Kirchenmusik

Die Feststellung, dass zu Gottesdiensten in unseren Kirchen musiziert wird klingt selbstverständlich, obwohl die musikalische Gestaltung von religiösen Feiern eine noch gar nicht so alte Tradition ist. Die frühe Kirche nämlich wollte sich durch das Verbot von Musik ganz bewusst vom s.g. Heidentum abgrenzen. So wird man z.B. in der Bibel vergeblich nach musikalischen Hinweisen suchen. Auch das heute etablierte Konzertwesen ist eine Erfindung erst des 18. Jahrhunderts. Dass gar Kirchen als Veranstaltungsräume herhalten müssen/dürfen ist eine Neuerung des 20. Jahrhunderts, v.a. wenn es um kommerzielle Veranstaltungen mit nicht ursprünglich religiösen Inhalten geht.

Da sind wir schon beim springenden Punkt: Gegen Musik als Umrahmung und zur Verinnerlichung von religiösen Feiern wird heute wohl niemand etwas einzuwenden haben. Keine Erstkommunion wäre ohne rhythmische Lieder denkbar, keine Auferstehungsfeier ohne den monumentalen Klang einer Kirchenorgel. Aber: Wie weit darf/soll die Institution Kirche (katholisch wie evangelisch wie überhaupt christlich) ihre Gotteshäuser für Konzertveranstaltungen öffnen? Die Anregung zur Auseinandersetzung mit diesem Thema stammt u.a. vom scheidenden Pfarrer Mödlings, welcher selber allem Anschein nach kein großes Verständnis für Veranstaltungen in seinem Gotteshaus aufbringen konnte.

Dabei gibt es national gesehen eine Fülle von Konzertveranstaltungen in Kirchen. Alleine im Internet findet man bereits über 800 diesbezügliche Veranstalter. Im deutschsprachigen Raum haben 2002 über 1400 Rock-, Pop- oder Musicalkonzerte in Kirchen stattgefunden. Manchmal kommt es auch zu skurrilen Auswüchsen: Eine geschäfttüchtige Pfarre in Deutschland z.B. bietet ihr Gotteshaus via Hochglanzbroschüre für Events aller Art an (vom Clubbing bis zum Live-Grusel-Spektakel). In Wales z.B. kann man Abenteuerurlaube inklusive einer Übernachtung in einer Kirche buchen. Mir scheint es, als könne man auch die Minoritenkirche in Wien vorbehaltlos für jegliches kommerzielles Happening mieten: sakrale Monumentalität als Kulisse, Glaube als Mega-Erlebnis-Wunderwelt.

So nicht! Wenn Pfarrgemeinden ihre Gotteshäuser für Veranstaltungen öffnen, müssen sie sich an die Kirchenordnung halten. Diese Grenzen sind allerdings weit gesteckt: Einzig die Würde des Kirchenraumes und der konfessionelle Frieden sind zu wahren. Ich als Musiker halte mich bei meinen Konzerten strikte an diese Grenzen. Das bedeutet für mich, dass man über Oratorien, Passionen, Messen, Orgelkonzerte o.ä. nicht lange diskutieren wird müssen. Rockkonzerte oder Multi-Media-Installation können aber nur dann in einer Kirche stattfinden, wenn entweder religiöse Themen behandelt bzw. religiöse Inhalte vermittelt oder diskutiert werden, wenn die Veranstaltung ein karitatives nicht kommerzielles Ziel verfolgt oder wenn die Pfarrgemeinde im Rahmen ihrer religiösen, kulturellen, spirituellen und seelsorgerischen Aktivitäten als Veranstalter auftritt. Die Art der Darstellung sollte bei aller künstlerischer Freiheit nicht entstellend und provozierend sein, Glaube und Würde nicht beleidigen, sowie nicht gegen die guten Sitten verstoßen oder öffentliches Ärgernis erregen. Durch "Musik in der Kirche" bekommt die Kirche eine Chance, Menschen in die Gotteshäuser zu bringen, die Musikliebhaber sind (= spirituelles Empfinden haben), sich aber aufgrund widriger Umstände von der Kirche entfernt haben. Der Seelsorger gewinnt dadurch - beispielsweise im Rahmen einer kurzen Begrüßungsansprache - eine Möglichkeit, mit diesen Menschen in Kontakt zu treten, um sie wieder für die Kirche zu gewinnen.

In Mödling konkret gibt es außer der St.Othmarkirche keinen für Veranstaltungen mit mehr als 300-400 Besuchern geeigneten Saal. So wird weiterhin jeder Konzertveranstalter mit der Pfarre Kontakt aufnehmen und jedes Konzert ausverhandeln müssen.
Gut so.

Reinmar Wolf (2003),
Direktor der Mödlinger Musikschule,
& langjähriger Organist in St. Othmar
Bild: Mödlinger Singakademie


aktualisiert am 22-Aug-2023
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