Johannes Leuthner ist ein typischer Landpfarrer. Am Weg vom
Pfarrhof zum Gasthaus, in dem er regelmäßig isst, wird
der gemütliche Mann mit dem Oberlippenbärtchen immer wieder
angesprochen: "Grüß Gott, Herr Pfarrer, wie geht's?"
Zu den Menschen gehen
Der
gesellige Pfarrer gewann mit seinem Pfarrgemeinderat
das Spiel gegen Feuerwehr und Kameradschaftsverein.
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Nicht zuletzt deshalb speist Pfarrer Leuthner gern im Gasthaus:
"Ich wohne alleine im Pfarrhof. Warum soll ich dort alleine
essen? Im Gasthaus treffe ich Menschen, oft setzen sie sich zu mir,
und wir kommen ins Gespräch. Das ist kommunikativer, unterhaltsamer
und flexibler als im Pfarrhof. Ich lebe sehr gern im Dorf, nicht nur
als Pfarrer, sondern als Mensch." An den Wochenenden wird
Pfarrer Leuthner oft von Pfarrmitgliedern zum Essen
eingeladen.
Pfarrer für neun Dörfer
Johannes Leuthner ist Pfarrer von drei Pfarrgemeinden:
Breitenwaida, Sonnberg und Bergau und betreut damit insgesamt neun
Dörfer. Das Dekanat Hollabrunn umfasst 21 Pfarren. Elf Pfarrer,
zwei Kapläne, drei ständige Diakone und drei
Pastoralassistentinnen arbeiten mit und für 17.000
Katholiken. "Wir sind ein untypisches Dekanat, denn die
Priester sind relativ jung. Sechs der elf Pfarrer sind unter 50
Jahre alt. Außerdem sind alle Österreicher. Das erleichtert die
Arbeit sehr", erklärt der Dechant die statistischen
Eckdaten. Die Quelle der jungen Priester ist das Kloster Sankt Josef
in Maria Roggendorf. Dort leben vier Pfarrer.
Dechant als Vermittler
Unterwegs
- Dechant Leuthner mit Bischofsvikar Matthias
Roch, Pastoralassistentin Hermi Scharinger und
Diakon Herbert Köllner.
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Dechant Johannes Leuthner sieht seine Aufgabe im Vermitteln.
"Ich versuche, von oben nach unten und von unten nach oben zu
kommunizieren. Ich versuche herauszufinden und weiterzuleiten, was
wichtig ist, was den Pfarren wichtig ist, welche Probleme die Leute
haben, aber auch, was der Diözese wichtig ist. Dabei versuche
ich, möglichst unbürokratisch und ohne Druck den Menschen klar zu
machen, dass nicht alle dieselben Sorgen haben, dass wir kleine
Schritte probieren sollen und dass wir das Miteinander schaffen können.
Es muss nicht jede Pfarre alles anbieten. Was sie kann, soll sie
tun, was nicht, soll sie lassen."
Das Miteinander der Pfarren im Dekanat zu fördern, ist Leuthner ein
besonderes Anliegen. "Leider kommt es immer noch vor, dass
manche Pfarren quasi als Einzelkämpfer nur für sich arbeiten, aber
nicht in die Nachbarpfarre schauen. Deshalb bemühe ich mich, die
hauptamtlichen Mitarbeiter zusammen zu bringen."
Parallele Entwicklungen zwischen Land und Kirche
Leuthner: "Lebendige
Liturgie ist Zeichen einer lebendigen
Gemeinde."
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Der Dechant sieht parallele Entwicklungen zwischen Land und
Kirche: "Früher war jedes Dorf eine eigene Republik. Mentalitätsmäßig
versuchen die Dörfer zum Großteil immer noch, unter
sich zu bleiben. Das wird verstärkt durch die politische
Situation." Anfang der 1970er Jahre wurden viele Gemeinden in
Niederösterreich zusammengelegt. Breitenwaida und Sonnberg gehören
seither zu Hollabrunn und Bergau zu Göllersdorf. "Obwohl ich
Pfarrer für diese drei Gemeinden bin, haben die Bergauer wenig
Beziehung zu den beiden anderen Dörfern. Die Bundesstraße liegt
zwischen ihnen und sie haben keine gemeinsame Schule. Wenn in Bergau
der Gottesdienst ausfällt, fahren die Leute nach Göllersdorf,
nicht in meine anderen Gemeinden. Es ist also nicht die große
Einheit, wenn ein Pfarrer mehrere Pfarren betreut", so der
Dechant.
Die neun Dörfer, deren Pfarrer Johannes Leuthner ist, haben seit
ihrer Zusammenlegung keinen Bürgermeister mehr, sondern nur mehr
einen Ortsvorsteher. "Sie sind praktisch entmündigt worden,
denn alle Entscheidungen über sie werden nicht von ihnen im Ort
getroffen, sondern über sie in Hollabrunn. Das nimmt natürlich den
Tatendrang. Engagement und Dorfbewusstsein haben dadurch
abgenommen", erklärt der Pfarrer.
"Eine Pfarrhaushälterin hätte es schwer mit mir"
Besuche
zuhause sind für Pfarrer Leuthner ein wichtiger
Teil der Seelsorge.
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Dechant Leuthner hofft, dass in der Kirche nicht ähnliches
passieren wird. "Im Moment will niemand Pfarren auflösen,
sondern ihre Selbständigkeit erhalten, auch wenn sie keinen Pfarrer
vor Ort haben", so der Pfarrer. Die Selbständigkeit einer
Pfarre misst der Dechant an zwei Kriterien: Am Sonntagsgottesdienst
und am Pfarrgemeinderat. "Längerfristig müssen die Laien mehr
Aufgaben übernehmen. Ich habe zum Beispiel weder Geschick noch
Interesse an baulichen Angelegenheiten, zum Glück aber sehr begabte
Leute in der Pfarre, die sich darum kümmern", berichtet
der Dechant. Die verstärkte Verantwortung von Laien könne zu einer
Entlastung der Management-Aufgaben eines Pfarrers führen. Auch
seelsorgerliche Aufgaben könnten mehr von Laien übernommen werden,
aber am Land trauen sich das die Menschen oft nicht zu,
bedauert der Dechant.
Eine falsche Entwicklung wäre es seiner Ansicht nach aber, wenn
man Priester nur mehr als Sakramentenspender brauchen würde.
"Dann würde man de facto nur mehr seine Mitarbeiter betreuen können,
und das ist nicht meines. Ich liebe das Landpfarrersein, bei den
Leuten zu sein, sie zu kennen und die Freuden und Sorgen mit ihnen
teilen zu können", so Leuthner.
Alleine zu leben, stört ihn nicht. "Ich hab es mir nicht
unbedingt ausgesucht, es hat sich so ergeben. Im Moment ist es kein
Problem, weil ich mich nicht als Einzelkämpfer sehe, sondern im
Team arbeite, auch wenn ich die Letztverantwortung trage. Ich teile
mir die Arbeit mit einem Diakon und einer Pastoralassistentin. Wir
haben lediglich verschiedene Wohnsitze. Hätte ich in einer großen
Gemeinschaft leben wollen, wäre ich ins Kloster gegangen. Ich genieße
die Flexibilität, und ich genieße es, bei den Menschen sein zu können.
Eine Haushälterin, die mit dem Essen auf mich wartet, hätte es
schwer mit mir", glaubt der Dechant.
Zur Person: Johannes Leuthner
Johannes Leuthner wurde 1966 geboren und wuchs in Pilichsdorf im
Weinviertel auf - "ein berüchtigt frommes Dorf. Aus etwa
1.000 Einwohnern sind in den letzten Jahrzehnten vier Priester und
acht Ordensfrauen hervorgegangen", schmunzelt der Dechant. Das
Gymnasium besuchte Leuthner in Hollabrunn. Kurz vor der Matura kam
ihm der hartnäckige Gedanke, Priester zu werden. Er trat ins Wiener
Priesterseminar ein und studierte Theologie. Kurz vor der
Priesterweihe nahm er sich ein Jahr Bedenkzeit, während dessen er
bei den Minoriten in Neunkirchen mitarbeitete.
1993 wurde Johannes Leuthner zum Priester geweiht. Nach vier
Jahren Kaplanszeit in Mödling-Sankt Othmar wurde er Pfarrer in
Breitenwaida. Seit Oktober 2004 ist er Dechant. "Normalerweise
wird der Pfarrer von Hollabrunn Dechant, aber bei der letzten
Dechantenwahl war der jetzige Stadtpfarrer ganz neu und unbekannt,
und deshalb wurde ein anderer gewählt", so Leuthner.
Auch am Weg zurück vom Gasthaus zum Pfarrhof grüßen alle
Menschen, denen Johannes Leuthner begegnet, freundlich: "Grüß
Gott, Herr Pfarrer!" Er grüßt zurück und wechselt mit jedem
ein paar Worte. "Genau deshalb bin ich so gerne
Landpfarrer", sagt er lächelnd, bevor er im Pfarrhof zum nächsten
Termin verschwindet.
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