Am Abend des 28. Jänner 2012 kamen zahlreiche Gläubige in die Othmarkirche zu einer Gedenkmesse für den am 17. Jänner verstorbenen Altpfarrer Wilhelm Müller. Der Gottesdienst wurde gemeinsam mit Pfarrer Richard Posch, Kaplan Richard Kimbwi, den Diakonen Gerhard Stingl und Günter Wöss, dem evangelischen Pfarrer i.R. Klaus Heine und fünf Ministranten gefeiert.
Zu Beginn gab Frau Ingrid Klein, langjährige stellvertretende Vorsitzende des Pfarrgemeinderats unter Pfarrer Müller, einen Rückblick auf das Wirken des Verstorbenen:
Wir haben uns heute Abend in unserer Pfarrkirche versammelt, um unseres langjährigen Pfarrers zu gedenken.
Prälat Wilhelm Müller kam 1961 als Neupriester nach St. Othmar und blieb 5 Jahre als Kaplan. Dann übersiedelte er als Studienpräfekt ins Wiener Priesterseminar - wohl auch um seine eigenen Studien, d.h. Doktorarbeit abzuschließen. Doch diese musste bald wieder warten, denn mit April 1969 wurde Wilhelm Müller von Kardinal Franz König zum Pfarrer von Mödling - St. Othmar bestellt. Waren für Kaplan Müller Pfarre und Stadt Mödling so etwas wie eine erste Liebe, so wurden sie nun zur Heimat.
Pfarrer Müller übernahm mit St. Othmar ein wohl bestelltes Haus. In seinen ersten Pfarrerjahren galt es vor allem die Impulse des 2. Vatikanischen Konzils und der Wiener Diözesansynode ins pfarrliche Leben umzusetzen, d.h. Liturgiereform, Umstieg von der versorgten zu mitsorgenden Gemeinde, Pfarrgemeinderat, Ökumene, ...
Ökumene ist Pfarrer Müller zur Selbstverständlichkeit geworden. Er und der damals - am Beginn der 70er-Jahre - ebenfalls neue Pfarrer der evangelischen Gemeinde, Dr. Klaus Heine, haben einem guten ökumenischen Klima in Mödling und einer fruchtbringenden Zusammenarbeit den Boden bereitet. Und das nicht nur durch ihre langsam wachsende, tiefe Freundschaft, sondern durch das Einbeziehen ihrer Gemeinden.
Neuem gegenüber - nicht nur, aber auch in der Theologie - war Pfarrer Müller stets aufgeschlossen. Er hat viel probiert, viel in die Wege geleitet. Er war immer vorbereitet, hatte meistens schon alles durchdacht, bevor wir uns, z.B. im Pfarrgemeinderat, mit einer Aufgabenstellung anfreunden konnten.
Prälat Müller hat als Mödlinger Pfarrer viel gebaut und renoviert: die Jahrhundertrenovierung von St. Othmar, St. Michael als neues Gemeindezentrum, neues Pfarrheim, Kreuzweg hinter St. Othmar, ... Er hat dabei stets Altes bewahrt und den aktuellen Erfordernissen entsprechend Neues hinzugefügt, wie z.B. Ambo und Volksaltar hier in unserer Pfarrkirche.
Fast zeitgleich mit der Pfarrerernennung begann Wilhelm Müllers intensive Medientätigkeit. Er gestaltete im Hörfunk über 500 mal die Morgenbetrachtung und fast ebenso oft am Abend "Einfach zum Nachdenken". Er war im Fernsehen einer der ersten Sprecher von "Christ in der Zeit", verfasste Drehbücher und kommentierte viele kirchliche Großereignisse wie Papstwahl, Katholikentag und Papstbesuch in Österreich, Bischofsweihen, ... Pfarre und Medienaufgaben wurden verbunden, indem mehr als 10 mal Gottesdienste aus St. Othmar in Radio bzw. Fernsehen übertragen wurden.
Prälat Müller hat durch seine Medientätigkeit das öffentliche Bild der katholischen Kirche nachhaltig geprägt und nicht zuletzt so der Pfarre und der Stadt Mödling hohes Ansehen verschafft. Pfarrer Müller und Mödling waren österreichweit und weit darüber hinaus als eine Einheit bekannt.
Prälat Müller bewältigte Tag für Tag ein enormes Arbeitspensum: pfarrliche Seelsorge, überpfarrliche Aufgaben wie Dechant oder Priesterrat, Medienarbeit und viele Jahre auch als Religionsprofessor am Gymnasium. Er hat dabei auf sich und seine Gesundheit kaum Rücksicht genommen und erwartete diesen Einsatz auch von seinen Mitarbeitern. Schwer belastet haben ihn die gesamtkirchlichen Entwicklungen seit Mitte der 80er-Jahre.
Die "Ära Müller" war für unsere Pfarre nicht nur eine lange, sondern auch eine sehr prägende Phase. Es gab für jeden und jede von uns Zeiten des erfüllten Miteinanders, es gab die Leere des Nebeneinanders und auch Verletzungen im Gegeneinander. Bedenken wir nun in einer kurzen persönlichen Stille unsere guten Erinnerungen und bitten wir Gott um Verzeihung, wo wir miteinander gefehlt haben - so wie beim Schuldbekenntnis am Beginn jeder Messe.
Die Predigt zum Gedenkgottesdienst hielt Pfarrer i.R. Klaus Heine:
Liebe Schwestern und Brüder in Christus!
Abschiede gehören zu unserem Leben. Oftmals nehmen wir sie, oftmals widerfahren sie uns. So zahlreich sie sind, so vielgestaltig sind sie auch. Die Bandbreite reicht vom frohgemuten Aufbruch ins Leben, in die Freiheit, ins Licht bis zum leidvollen Verlust, wenn glückliche Stunden hinter uns zurückbleiben, die wir nie wieder erleben werden, geliebte Menschen uns verlassen, die wir nie wieder sehen werden. Gerade ein solcher Abschied lässt unseren Schritt langsam und schwer werden, legt sich wie ein Schatten auf unser Gemüt. Er eröffnet nicht Zukunft, sondern verengt sie und belastet damit die Gegenwart. In all diesen Abschieden ist wie ein Stachel die Vorahnung jenes letzten Abschieds nicht im, sondern
Heute Abend nehmen wir als Pfarrgemeinde von St. Othmar, als Christinnen und Christen der Stadt Mödling, Abschied von Prälat Wilhelm Müller. Er ist mit der Pfarre, mit der Stadt, mit uns in den Jahrzehnten seines Dienstes und seines Lebens an diesem Ort zusammengewachsen. Das hat sich zuletzt in der bewegenden Feier zu seinem 50-jährigen Priesterjubiläum im vergangenen Jahr gezeigt. Nun ist er uns entrissen worden. Das tut weh. Zuerst und vor allem denen, die ihn geschätzt, verehrt, geliebt haben, die die Schönheit der von ihm gestalteten Gottesdienste erlebt, die durch seine Verkündigung der Frohbotschaft zum Glauben gerufen oder in ihm gestärkt oder durch den seelsorgerlichen Zuspruch getröstet wurden. Sie sollen nicht aufhören, seiner dankbar vor Gott zu gedenken. Aber an dem Schmerz des Abschieds haben auch die Anteil, die das alles nicht mehr schätzen konnten, weil sie von Pfarrer Müller enttäuscht waren, weil sich für sie der Glanz seiner Persönlichkeit durch schroffes, ungeduldiges oder kränkendes Verhalten verdunkelt hat. Ich bitte sie, das alles in dieser Stunde des Gedenkens vor Gott hinzulegen und zu vergeben. Um Vergebung mögen die bitten, denen es leid tut, dass sie aus welchem Grund auch immer mit zu Wilhelm Müllers Exil in Wr. Neustadt beigetragen haben. Es soll uns in dieser Stunde des trauernden Abschieds nichts mehr trennen. Angesichts des Todes sind wir alle ohne Unterschied auf Gott geworfen, bedürfen als Sünderinnen und Sünder seiner gnädigen Annahme beim letzten Gericht über unsere Werke.
War Prälat Wilhelm Müller zu groß für Mödling? Wenn man die verschiedenen Nachrufe liest, könnte man es fast annehmen. Da taucht Mödling zwar als Pfarrbasis auf, aber die österreichweite Medienarbeit und sein Engagement im diözesanen Priesterrat oder im Canisiuswerk stehen im Vordergrund. Aber auch dass er am Ort der Pfarre oft bis zur Selbstverleugnung nie die Gesamtkirche aus dem Auge verlor, sich ihr verpflichtet fühlte und leidenschaftlich an ihr Anteil nahm, mag einen solchen Gedanken nahe legen. Auch als Pfarrer von Mödling dachte und agierte er bischöflich. Er stand für die ganze römisch-katholische Kirche. Gerade deshalb konnte er auch mit Bischöfen streiten, wenn er der Überzeugung war, dass sie vor diesem Anspruch versagten.
Als evangelischer Pfarrer habe ich mich schon gewundert, dass es Rom nicht über sich brachte, einen so treuen und fähigen Diener der Kirche auch offiziell zum Bischof zu berufen. Wilhelm Müller selbst hat nie daran gedacht, freiwillig von Mödling wegzugehen. Diese Pfarre und diese Stadt waren die Erde, in der der Baum wuchs. So weit er auch seine Zweige ausstreckte: Aus diesem Boden bezog er seine Kraft, diesen Menschen, diesem Gemeinwesen war er verbunden. Es kann gar nicht anders sein, als dass er jetzt zurückkehrt, und sein Leib hier die letzte Ruhestätte findet.
Das Bildwerk unter der Platte des Altars von St. Othmar stellt die Szene von der Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern dar, die wir in der Evangeliumslesung gehört haben (Johannesevangelium 21, 1-14). So ist sie bei jeder Feier der Eucharistie präsent. Diese Geschichte ist eine eigentümliche Wiederholung des Ereignisses vom wunderbaren Fischfang des Petrus im Lukasevangelium, aus der Willi Müllers Primizspruch stammt: Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Die Jünger Jesu sind nach den wundersamen Begebenheiten von Jerusalem nach Galiläa in den Alltag zurückgekehrt. Sehe ich es richtig, dass in dem Vorsatz des Petrus: Ich gehe fischen! eine gewisse Resignation liegt? Die große Zeit des Lebens mit Jesus war vorbei, jetzt gab es nur die Erinnerungen und das Weiterleben in der alltäglichen Welt. Die anderen Jünger nehmen am nächtlichen Fischfang teil. Wieder ist er erfolglos. Im Morgengrauen kehren sie an den Strand des Sees Genezareth zurück. Da steht ein Mann und empfängt sie. Ähnlich wie es den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus geschah, sind ihre Augen gehalten. Sie erkennen den auferstandenen Jesus nicht. Noch nicht. Aber sie folgen seinem Befehl und werfen das Netz auf der Steuerbordseite noch einmal aus. Und wieder ist der Fang gewaltig. Alles in dieser Geschichte ist von tieferer Bedeutung. Und so ist auch die Zahl 153 Symbol der Fülle und Vollkommenheit. Verheißung und Auftrag an den Menschenfischer Petrus kommen zum Ziel. Er ist über alle Maßen erfolgreich. Da fällt es wie Schuppen von ihren Augen: Es ist der Herr! Mitten in der alltäglichen Welt, die vom Tode bestimmt wird, leuchtet österliches Morgenlicht. Der Auferstandene ist bei ihnen und verbreitet das Fluidum ewigen Lebens. Und er hat ihnen am Strand das Mahl bereitet. So haben sie schon jetzt Anteil am Auferstehungsleben und genießen einen Vorgeschmack des himmlischen Festmahls.
Welch eine Vermächtnis hat uns Wilhelm Müller mit diesem Kunstwerk hinterlassen, als bei der großen Kirchenrenovierung von St. Othmar der Künstler gerade diese Szene zur tragenden Basis des Volksaltars gestaltete! Bei jeder Feier des Herrenmahls werden wir in die tröstliche, stärkende, frohmachende Gemeinschaft mit dem Auferstandenen hineingenommen und an den Primizspruch erinnert. So ist auch der Verstorbene in besonderer Weise gegenwärtig. Nein, die Abschiedstrauer kann nicht das letzte Wort haben. Wir mögen uns im Sterben selbst verlieren, aber wir fallen nicht ins Nichts, sondern sinken in die bergende Hand Gottes und werden aufgehoben in seinem Gedächtnis, aus dem heraus wir neu geschaffen werden über unser Wissen und Verstehen. Bei ihm wissen wir auch seinen Diener Wilhelm Müller zu Hause.
Die große Lebenshoffnung stärkt unser liebendes und ehrendes Gedenken. Amen
aktualisiert am 18-Mar-2022
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