550 Jahre Grundsteinlegung
der Othmarkirche in Mödling

13. Mai 2004

Predigt von Pfarrer Richard Posch


Wer an ihn glaubt, geht nicht zugrunde. Wir hören von einem Stein. Es ist ein besonderer Stein, der gelegt worden ist. Ein Stein, an dem man zu Fall kommen kann. Aber zugleich ein Stein, der einen aufrichten kann: Wer an ihn glaubt, geht nicht zugrunde. Der Stein ist gelegt worden an einem Ort, der für viele eine Anziehungskraft ausübt. Damals vor 550 Jahren. Aber auch davor schon. Und der Platz um St. Othmar ist auch heute einer, der für sehr verschiedene Menschen attraktiv wird. Bei Tag sieht man es. Bei Nacht hört man es.

Ein besonderer Stein ist gelegt worden. Allein in diesen 550 Jahren ist so viel geschehen, sind so verschiedene Menschen diesem Stein begegnet. Menschen, die dieser Stein aufgerichtet hat, Menschen, die nicht begriffen haben, wozu der Stein überhaupt gelegt worden ist. Wir brauchen nicht nur das Jahr 1529 erwähnen, wir dürfen nicht unerwähnt lassen, dass es am Anfang des 19. Jahrhunderts möglich war Cluny abzureißen, dass es im Jahr 1968 möglich war in der damaligen DDR eine große gotische Kirche in Leipzig zu sprengen.

Mit den Kirchengebäuden sollten auch die Menschen, die lebendigen Steine, aus denen Kirche besteht, zu Fall gebracht werden. Und gerade diese lebendigen Steine sind es, die durch diesen einen Stein aufgerichtet werden können. Diese Menschen, denen an diesem Stein etwas gelegen war. Die Menschen, die hier in diesem Kirchenhaus verweilen konnten, die gebetet haben für bestimmte Anliegen, die geheiratet haben, die ihr Kind zur Taufe geführt haben. Die Menschen für die, Generationen hindurch, die Othmarkirche eine Mutter war.

Im Marienmonat Mai ist es nichts sonderlich überraschendes, dass man eine Kirche der Gottesmutter weiht. Noch dazu, wo Maria das Urbild der Kirche ist. Maria, die Christus in der Tat zur Welt bringt. Die Kirche, die als Werkzeug dazu dienen soll, Christus der Welt sichtbar zu machen. Diese Pfarre hatte und hat die Aufgabe den Menschen, die in dieser Stadt wohnen, Christus sichtbar zu machen.

Kirche und Maria werden in der Tradition der Kirchenväter mit ähnlichen biblischen Bildern umschrieben: Beide sind die neue Eva, beide sind das Paradies, beide der Paradiesbaum, deren Frucht Jesus ist. Beide sind die Bundeslade, die Jakobsleiter, die Himmelspforte, beide sind jenes Osttor, durch das unser Hoherpriester einzieht, ein Gedanke der besonders Gut zur Geltung kommt, wenn man in der Osternacht, das Licht vom Osten kommend immer heller scheinen sieht. Beide sind die auf Bergeshöhen erbaute Burg, ein Attribut, dem die Othmarkirche erstaunlich nahe kommt, beide sind das Bundeszelt des Allerhöchsten, der Thron Salomos, die uneinnehmbare Feste. Beide sind die Stadt Gottes, die Stadt des großen Königs, jene mystische Stadt, welche die Psalmen besingen. Beide sind die Braut, geschmückt um vor dem Bräutigam zu erscheinen, die Frau, die der Schlange Feind ist, das große am Himmel erscheinende Zeichen der Offenbarung, die Frau bekleidet mit der Sonne, die Siegerin über den Drachen.

Kirche, die wie Maria die Aufgabe hat, der Welt Christus sichtbar zu machen, könnten wir vergleichen mit der Stadt auf dem Berge. Eine Stadt die auf dem Berge liegt kann nicht verborgen bleiben. In eins mit diesem Wort stellt der Evangelist das Wort vom Licht, das vor den Menschen leuchten soll. Euer Licht soll vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. So ist die Othmarkirche schon allein von ihrer Lage her so ein Zeichen für Mödling. Sie ist kein reiner Funktionsbau. Sie will einladend und zugleich ein starkes Zeichen sein einer anderen Gegenwart - der Gegenwart des Herrn, der in Mödling gegenwärtig sein will - und sie kann es sein in den vielen lebendigen Steinen, aus denen sie sich zusammensetzt. Sie will ein Zeichen sein, das ruft:

Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.


aktualisiert am 17-Mar-2022
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