Ein "Stolperstein" zur Erinnerung an
Sr. Maria Restituta

Erinnerung an Sr. Restituta

Am 14. August 2006 wurden in Mödling im Rahmen der Aktion Stolpersteine 14 Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus jeweils am Gehsteig vor deren letzten Wohnort verlegt. Diese Initiative wurde im Jahr 2003 anlässlich der Feier 1100 Jahre Mödling vom damaligen Stadtrat Bernhard Knipel begonnen und von Gemeinderat Gerhard Wannenmacher fortgeführt.

Einer dieser Gedenksteine (Bild links) befindet sich vor dem Mödlinger Krankenhaus und erinnert an die 1943 von den Nationalsozialisten hingerichtete Sr. Maria Restituta (sie hieß mit bürgerlichem Namen Helene Kafka). Zu diesem Anlass wurde der folgende Text von P. Josef Denkmayr und Pfarrer Richard Posch gelesen:


Mitschwestern von Schwester Restituta erinnern sich

Als am 12. März 1938 deutsche Truppen in Osterreich einmarschierten, änderten sich auch in der kleinen Welt des Mödlinger Krankenhauses die Verhältnisse schlagartig:
"Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich war das Verhältnis der Sr. Restituta und der Ordensschwestern mit den Ärzten und dem weltlichen Personal sehr gut. Es war wie in einer Familie. ...
Nach der Machtergreifung ... war das Verhältnis ganz furchtbar: Wir Schwestern sollten vom Spital wegkommen und durch 'braune' Schwestern ersetzt werden. Wir blieben aber, weil der zuständige Primar Dr. Stöhr sagte, er könne ohne die Hartmannschwestern nicht arbeiten. Auf dies hinauf durften wir bleiben. Es gab aber auch eine Reihe von Angestellten und Ärzten, die Nationalsozialisten waren und gejubelt haben."

Der familiäre Umgang miteinander wich einer kalten, ängstlichen, lauernden Distanz, die das Klima im Krankenhaus und selbst in der Gemeinschaft der Ordensschwestern frostig erstarren ließ.

"Es herrschte auch unter uns Schwestern ein eisiges Schweigen, letztlich aus Angst. Der eine hat dem anderen nicht getraut; letztlich nicht einmal die Schwestern untereinander."

"Schweigen" lautete unter diesen Umständen auch die Parole der Ordensleitung, die irrigerweise glaubte, auf diese Weise Konfrontationen mit dem Naziregime ausweichen zu können.

E i n e Schwester freilich konnte von Anfang an nicht zum Totalitätsanspruch der Nazis schweigen: Restituta. Mit "Österreich" verband Restituta trotz der Turbulenzen der dreißiger Jahre die Sicherung von Glauben, Recht und Menschenwürde in einem freien, demokratischen Rechtsstaat. Sie brauchte keine Universitätsausbildung, um scharf zu erfassen, dass auf die Ausrottung der staatlichen Eigenständigkeit die Ausrottung der kirchlichen Eigenständigkeit, ja von Kirche und Glauben überhaupt folgen sollte. Restitutas Temperament und Glaubenskraft wiesen ihr auch jetzt den Weg: "Sie war eine Resoluta, daher scheute sie auch nichts, wenn es um die Sache Gottes ging."

Ihr Beichtvater P. Schebesta findet für Restitutas Konfliktsituation rund um den "Anschluss" drastische Worte:
"Sie war ein aktiver, kein passiver Charakter, Kontemplation lag ihr nicht, aber sie trat unerschrocken für den Glauben und das Recht ein. Sie war nahezu kompromisslos, eine Draufgängerin. So, wie sie für die Religion eintrat, so auch für Österreich. Sie war begeisterte Österreicherin. Allen Österreich feindlichen Bestrebungen trat sie ebenso barsch entgegen und ließ es an der Klugheit mangeln. Sie machte nirgendwo ein Hehl aus ihren Überzeugungen. Kriecherei oder selbst schlaue Diplomatie war ihr verhasst. Dieses ihr intransigentes Wesen machte ihr manche Feinde und war Anlass zu Hass und Abneigung. Aus diesem Grunde hatte sie ihre geschworenen Feinde besonders unter den Nazis, die nur den Augenblick abpassten, um ihr einen Denkzettel zu geben."
So anerkennend sich der Priester einerseits über Restitutas unangepassten Mut äußert, so deutlich schwingt andererseits Kritik mit, sie habe es "an der Klugheit mangeln" lassen.

Doch was war damals Klugheit? Wer von den geistigen, inneren Gegnern des Nationalsozialismus handelte klug? Die Mitläufer, die sich trotz innerer Reserviertheit äußerlich mit den neuen Machthabern arrangierten, um ihre Posten zu behalten und ihre Karriere nicht zu behindern? Die Stillhalter, die durch Wegschauen und Schweigen der Verfolgung zu entgehen hofften und ihren Widerstand nie nach außen zu artikulieren wagten? Ließ es auch Jesus "an der Klugheit mangeln", weil er Auseinandersetzungen nicht scheute? Hätte es nicht auch Jesus "klüger" machen, d. h. "billiger" geben, "leisertreten" können?

Freilich war es in der NS-Zeit ein Unterschied, ob ein Eheloser oder ein Familienvater den Schritt zum hör- oder sichtbaren Widerstand wagte, denn dieser Schritt eines Familienvaters konnte allzu leicht tödliche Konsequenzen auch für Frau, Kinder und andere Verwandte nach sich ziehen. Darum soll auch hier jede vorschnelle und ungerecht vereinfachende Wertung damaliger Haltungen gegenüber dem Naziterror vermieden werden, zu komplex waren die Situation und die jeweiligen Begleitumstände in Staat, Gesellschaft und Kirche. Dennoch bleibt die grundsätzliche Wahrheit unverändert: Reden, aber auch Schweigen sind Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen.

Darum weist auch der inzwischen verstorbene ehemalige Mödlinger Bürgermeister Karl Stingl eindringlich darauf hin,
"wie großartig der persönliche Einsatz Sr. Restitutas für ihren Glauben war; denn sie hätte ja damals auch schweigen können, und sie hätte dann ihre Ruhe gehabt."
Aber: "Sie hat auch nach außen hin gesagt und getan, was sie in ihrem Inneren denkt und wie sie in ihrem Inneren ist: tief gläubig, geradlinig, ehrlich und kompromisslos, wenn es um ihren Glauben ging."


Bericht: www.moedling.at


aktualisiert am 17-Mar-2022
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